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Nachtgedanken… 11. Juli, 2007

Posted by Rika in islam.
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Ich konnte in der vergangenen Nacht schlecht schlafen, das ist nichts Besonderes und kommt in letzter Zeit häufiger vor. Stress halt oder das Alter!

Wie auch immer. Ich lag also wach und dachte über dies und jenes nach – auch über die letzten Einträge hier in meinem Blog. Die Beunruhigung, die ich beim Thema Islam verspüre, die mich sehr bewegt und die ich immer wieder mal zur Sprache bringe – nicht nur hier, auch in vielen Gesprächen mit meinem Mann – geht sehr tief. Mein Mann sieht manches genauso wie ich, anderes schätzt er aber grundsätzlich anders und vor allem weniger „angstbesetzt“ ein, wie ich es tue.

Ist „angstbesetzt“ der richtige Begriff? Und wenn ja, worauf bezieht sich dann die „Angst“? Habe ich Angst vor dem Islam oder Angst davor, eine Entwickelung aktiv mitzuerleben, die ich für bedenklich halte, diese Bedenken aber nicht öffentlich zu machen? Wie viele Menschen – so fragte ich heute morgen meinen Mann beim Frühstück – haben Hitlers Kampfansage in seinem Buch gelesen und hätte demzufolge wissen müssen, auf wen sie sich einlassen bei den Wahlen zum Reichstag? Und hätten die meisten der Leute, die ihn gewählt haben, auch noch gewählt, wenn sie sein Buch tatsächlich gelesen hätten? Sicher, das ist heute nur Spekulation und verändert nichts mehr.

Mich aber beunruhigt die Vorstellung, dass ich etwas wissen könnte oder müsste, mich aber aus Bequemlichkeit oder falsch verstandener Toleranz abwende und die Dinge laufen lasse. Mein Mann hat sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit Migration aus psychologischer Sicht beschäftigt und wir hatten immer einen regen Austausch darüber – von daher sind mir die Begrifflichkeiten „das Eigene“ und „das Fremde“ mit ihren psychologischen Deutungen durchaus vertraut, darüber kann ich nachdenken, reden, das hilft mir, mich zu sortieren, Zuordnungen zu finden, Standpunkte zu überprüfen, zu neuen Einsichten zu kommen.

Aber meine Unruhe blieb dennoch weiter bestehen!

In dieser schlaflosen Nacht kam mir in den Sinn, dass ich sowohl im Umgang mit meinen Ängsten, als auch in der Beziehung zu dem Nächsten, dem Fremden, auf christliche „Kernkompetenzen“ zurückgreifen kann.

„In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus, „aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden!“

Meine Ängste – die ganz realen, aber auch die irrealen – haben einen Raum bei Gott. Ich muss sie nicht verdrängen, sie nicht von mir abspalten, um damit leben zu können. Das entbindet mich nicht der Verantwortung, mich auch damit zu beschäftigen, mich um das zu kümmern, was um mich herum geschieht, aber ich muss keine Angst haben – wenn ich mich kümmer oder wenn ich etwas nicht ändern kann.

Und der andere Kerngedanke christlichen Lebens weist mir den Weg, wie ich Beziehung zum Nächsten, zum Fremden und zum vermeintlich feindlichem Gegenüber leben und gestalten kann. „Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen. Lukas 6, 27 u. 28

Damit meint Jesus ja nicht, dass wir uns abwenden oder raushalten sollen. Er fordert mich dazu auf, für Menschen, die mir feindlich erscheinen, zu beten, meine Gedanken über sie auf Gott zu richten, ihnen Gutes, Segen zu wünschen und für sie zu erbitten. Jesus beschreibt mit dieser Empfehlung, wie wir mit den Menschen umgehen können.

Andererseits hat er zu den Strukturen und Meinungen seiner Zeit Stellung bezogen, den Fragen ist er nicht ausgewichen. Und, so denke ich, will ich mich auch mit den Strukturen und Ideologien meiner Zeit beschäftigen, Stellung beziehen, meinen Standpunkt deutlich machen und mich auf das Gespräch mit „dem anderen“ einlassen – und dabei „jesuanisch“ denken. „Jesus geht uns voran!“ sagte der frühere Leiter meiner Gemeinde, und das im alltäglichem wie im geistlichen Leben. Das bedeutet „Nachfolge Christi“ eben auch – und auch und gerade im schwierigen Umgang mit dem mich so verstörenden Thema „Islam“.

Manchmal verliere ich diese Haltung und Vorstellung, manchmal überwiegen meine negativen Gedanken – aber die bringen mich nicht weiter, bereiten mir allenfalls weitere schlaflose Nächte.

Der Vers eines Liedes fiel mir ein, in meiner schlaflosen Nacht: „Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns!“

Am Montag sangen wir in einem Gottesdienst:

„Du bist heilig, du bringst Heil, bist die Fülle, wir ein Teil der Geschichte, die du webst, Gott, wir danken dir, du lebst – mitten unter uns im Geist, der Lebendigkeit verheißt, kommst zu uns in Brot und Wein, schenkst uns deine Liebe ein! Du bist heilig. Du bist heilig. Du bist heilig. Alle Welt schaue auf Dich.“

Daran will ich mich halten, wenn wieder einmal die Verzagtheit zur Verzweifelung zu werden droht!