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Mehr Arbeit für die faulen Säcke… 30. Dezember, 2022

Posted by Rika in aktuell.
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Erinnert sich noch jemand an die böswillige Formulierung für Deutschlands Lehrer, wie sie ausgerechnet ein SPD-Mann und Kanzler in die Welt posaunte?

Schröder war es, der die Lehrer als „faule Säcke“ bezeichnete und damit dazu beitrug, dem Ansehen eines Berufsstandes, der ohnehin mit einem Imageproblem zu kämpfen hatte (und immer noch hat) schweren Schaden zuzufügen.

Heute Morgen, beim Überfliegen der Nachrichten, die die von mir liebevoll „Käseblättchen“ genannte HAZ lieferte, wollte ich meinen Augen nicht trauen:

Lehrer müssen Schülern bald keine Noten mehr geben“ titelt die HAZ auf Seite 1.

Unsere neue Kultusministerin ohne nennenswerte Berufsausbildung, sieht man von einem begonnenen, aber nicht beendeten Universitätsstudium in „Politik, Deutsche Philologie und Philosophie“ (laut Eigenauskunft) einmal ab, will, wie es in der HAZ heißt, „Notenverzicht nach eigener Aussage ermöglichen, aber nicht anordnen.“ „Wir wollen den Schulen dabei mehr Freiräume geben, wenn sie es wünschen, sagte Hamburg.“

Selbstredend soll das alles natürlich nur zum Wohle der Schüler und Eltern eingeführt werden, weil mit einem Berichtszeugnis genauer die Stärken und Schwächen der Schüler deutlich gemacht werden könnten und Eltern so in die Lage versetzt würden, besser zu wissen, wie sie ihren Kindern helfen könnten, was bei einer „nackten Zensur“ ja nicht ersichtlich und gegeben sei.

Das stimmt natürlich, wenn ich schreibe, „Leon Moritz hat Defizite im Verständnis von Textaufgaben“ ist das ganz sicher aussagekräftiger als die blanke 4 in Mathematik. Allerdings ist mit der Nennung des Problems ja noch nicht die Lösung vorgegeben. Die könnten verantwortungsvolle Eltern jedoch auch im Gespräch mit dem Lehrer erfahren, wenn sie spätestens im Halbjahreszeugnis aus den Noten ersehen können, dass es irgendwelche Defizite gibt. Aber dazu müssten die Eltern ja die Elternsprechtage aufsuchen und sich mit den betreffenden Lehrern unterhalten über die Leistungen des hoffnungsvollen Sprösslings. Sie könnten im Gespräch mit dem Lehrer erfahren, „Ob einem Schüler eher Gedichte oder Sachtexte lägen, ob er Probleme mit der Grammatik oder damit habe, seine Gedanken in Worte zu fassen und wie kreativ er sei..“ Zitatende. Aber Gespräche mit den Lehrern kosten natürlich Zeit, Zeit, die die Eltern nicht haben oder die man ihnen nicht abverlangen will.

Dafür verlagert die Kultusministerin nun das Zeit- und Mehrarbeitsproblem in die Schulen, bzw. Lehrerschaft, die ja ohnehin gebeutelt ist von einem immer noch viel zu großen Personalmangel und dem damit verbundenen Vertretungsunterricht – auch durch fachfremde Lehrkräfte.

Statt mit aller gebotenen Dringlichkeit wieder für mehr Lehramtsstudenten zu werben, um dem jetzt schon abzusehenden Lehrermangel vorzubeugen, der demnächst auf die Schulen zukommt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den wohlverdienten Ruhestand gehen, schlägt Frau Hamburg vor, den Arbeitsaufwand der Lehrer deutlich zu erhöhen. Ein „Notenzeugnis“, das selbstverständlich auf den Beobachtungen der Lehrer und den Leistungsnachweisen durch die Schüler beruht, schreibt sich sehr viel schneller als ein Berichtszeugnis, das noch dazu in aller Ausführlichkeit über individuelle Schwächen und Stärken informieren soll und zudem vollkommen vorurteilsfrei formuliert werden muss. „Fünf“ (5) oder „drei“ (3) zu schreiben ist völlig frei von individuellen – positiven wie negativen – Aussagen über den Schüler, aber zu schreiben, „Elisa-Sophie hat Schwierigkeiten, ihre Gedanken in Worte zu fassen, ist aber kreativ bei der Schreibweise komplizierter Wörter“, das hat doch was, da gehen die Gedanken des Lesers der frohen Botschaft spazieren.

Man könne (wolle) mit Berichtszeugnissen den Leistungsdruck vermindern, der auf den Schülern laste, meint Herr Mounajed vom Schulleitungsverband. Damit käme man dem alten Traum vieler Schüler näher, gar keine Leistungsnachweise mehr erbringen zu müssen. Ich gebe zu, ich habe während meiner Schulzeit als Schülerin auch solche Träume gehegt, besonders dann, wenn meine Noten sich bedenklich im unteren Bereich des Spektrums befanden und wenig Aussicht auf einen guten Mittelplatz, geschweige denn auf einen Spitzenplatz bestand. Von der anderen Seite des Lehrerpults aus betrachtete ich diese Träumerei aber eher skeptisch. Ohne Leistungsnachweise zu fordern, das ist leider die Erfahrung aus meinem Lehrerdasein, sind nur sehr wenige Schüler in der Lage, Leistungen freiwillig und aus purer Lust am Lerngegenstand zu erbringen. Ganz sicher gibt es Bereiche in unserem Gesellschaftssystem, in denen das Erbringen einer Leistung rein nach dem Lustprinzip funktioniert. Aber im allgemeinen Getriebe trifft das nicht zu. Da sind es die Sachzwänge in Form der Abhängigkeit von Lohnzahlungen, die das Erbringen einer Leistung erforderlich machen – für die meisten von uns ist das eine reine Selbstverständlichkeit, die wir kaum infrage stellen. Auch das, „Leistung als Selbstverständlichkeit zu erlernen“ gehört zur Bildung dazu, auch dafür ist Schule da, diese Selbstverständlichkeit einzuüben. (Vielen derjenigen, die neu auf unseren Arbeitsmarkt streben, fehlt es genau an dieser Selbstverständlichkeit, die mit Arbeitsplatz und Leistung verbunden ist. Und nein, das ist nicht rassistisch, das ist leider eine immer wieder zu beobachtende Tatsache.)

Diese Selbstverständlichkeit, sich mit einer gegebenen Anforderung auseinanderzusetzen (durch die angesagte Studienordnung beispielsweise) und ihr gerecht zu werden, hat Frau Hamburg im eigenen Leben vermutlich nicht ausreichend gut gelernt, wäre sie sonst vor der Uni und deren Herausforderung in die Politik geflohen, wie leider viel zu viele Politiker vor ihr auch schon (siehe Roth, Joschka Fischer, Göring-Eckhardt, Ricarda Lang, Kevin Kühnert, um nur einige zu nennen, die vom hohen Ross der arbeitenden Bevölkerung Anweisungen erteilen wollen)?

Frau Hamburg glänze während des Wahlkampfs mit dem Vorschlag, man könne ja dem Lehrermangel in den Schulen dadurch abhelfen, dass man beispielsweise Elektriker Versuche durchführen ließ. Auch das eine ganz großartige Idee. Leider geht sie nur an der Schulwirklichkeit der Regelschulen komplett vorbei, denn da geht es neben Lehrplänen und Stundenplänen für viele Klassen und Lehrer so ein ganz kleines bisschen auch um Pädagogik, Methodik, Didaktik, um Theorien und Fähigkeiten, die man sich als Lehramtsstudent erarbeitet und die man nicht durch Politisieren in der grünen Jugend erhält.

Wie kann man einen Menschen zur Kultusministerin und damit für unser Bildungssystem, für Schulen und Tausende Schüler zuständig machen, der selber am Ausbildungssystem der Universität gescheitert ist?

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